Einen besonderen Stellenwert nahm die von Frauen aus unterschiedlichen urbanen Milieus initiierte Dynamik ein. Ihre Befreiung aus überkommenen Konventionen schien unaufhaltsam, wenn auch selbst in der Kunstwelt polemischer Widerstand laut wurde. Die Porzellanfiguren der Manufaktur Augarten, vorwiegend von Künstlerinnen der Wiener Werkstätte oder selbstständigen Keramikerinnen bzw. Bildhauerinnen geschaffen, sind nicht nur Belege des hohen gestalterischen und handwerklichen Niveaus sowie des Anspruchs einer zeitgenössischen Produktion, sie spiegeln auch die Symbole des Aufbruchs wider.
So nebensächlich er scheinen mag, der „Bubikopf“ als Frisur, auch gerne lässig englisch „Bob“ genannt, wurde dabei zum radikalen Zeichen des Bruchs mit den gängigen Rollenbildern. Die Scheren der zögerlichen Friseure arbeiteten pausenlos, Zöpfe und Chignons fielen auf Wunsch der Kundinnen reihenweise zu Boden. Das neuartige Ergebnis, das auch einen freien Blick ermöglichte und das individuelle Gesicht betonte, führte nicht selten zu privaten Zerwürfnissen und damit zu existentieller Bedrohung.
Ähnlich emotional wurden Hosenanzüge, Outdoor-Sportarten oder die Ausfahrten am „Weekend“ – ohne Begleitung versteht sich – am Steuer des eigenen Automobils diskutiert. Zum Entsetzen des bürgerlichen Mindsets übernahmen Frauen Privilegien und Äußerlichkeiten der herrschenden Männerwelt. Zigaretten, damals als Ausdruck neuer Unabhängigkeit, und ‚Pyjamas‘ auch in der Öffentlichkeit getragen waren kein bloßer mondäner Rollentausch, sondern Mittel eines gesellschaftlichen Wandels, der schließlich allen zugutekommen konnte. Ein allgemeines „Recht auf Licht und Luft“ und „eine volle Breitseite Sonne“, wie zeitgenössische Architekt:innenstimmen forderten, schien greifbar.
Wann sonst sollte die Moderne gelebt werden, wenn nicht im Hier und Jetzt?