FAHRT INS BLAUE
März, der Frühlingsmonat. Fernweh gehört dazu wie das Erwachen der Schmetterlinge (gestern wurde der erste im Augarten gesichtet).
Blau spielt dabei eine Rolle. Wirkt doch der wolkenlose Himmel im Frühling weiter, höher, reiner als sonst. Und nicht ohne Grund weckt Blau Sehnsucht. Es ist die Farbe des Unbestimmten, des irgendwie geheimnisvoll Ungewissen. So wie die weite Ferne.
Eduard Mörike schrieb "Frühling läßt sein blaues Band/ Wieder flattern durch die Lüfte" (Er ist´s, 1829) und die Literatur der Romantik nahm oft Bezug auf die Farbe Blau, nicht zuletzt in der blauen Blume, einem Sehnsuchts- und Liebessymbol.
Weit ist es nicht zum Begriff der Fahrt ins Blaue, der schon in der Zeit des Biedermeier verwendet wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verwendete der bayerische Schriftsteller und Journalist Ludwig Ganghofer das Bild in seinem Lebenslauf eines Optimisten: "Und nun die Reise! Sie war bei mageren Taschen eine Fahrt ins Blaue und galt mir doch als Reise in eine Zukunft, in der ich schöne, leuchtende Berge des Lebens sah! Wien! Ich liebte Wien von der ersten Stunde an..."
Hildegarde Goldbach (1904-1987), eine der besten Entwerferinnen der Porzellanmanufaktur Augarten, schuf um 1932 ihre eigene Interpretation einer Fahrt ins Blaue (Modell Nr. 1673), die ganz dem Sinn für Humor ihrer Zeit entsprach.
In einem hölzernen Wagen, von einer unternehmungslustigen Gazelle gezogen, purzelt ein Knabe rückwärts, wohl vom Ruck und Wind der Fahrt aus dem Gleichgewicht gebracht. Erste frühlingsgrüne Blätter sind über den Sockel gestreut. Ein blaues Band bildet das Geschirr der Gazelle, der Wagen wird von einem Wolkengebilde in die Höhe gehoben. Oder fliegt das Gespann bereits über den grauen Wolken dahin?
Die Gazelle ist eines der eleganten Tiere der Stilepoche des Art Déco, für ihre Grazie und Exotik bewundert und immer wieder Motiv der dekorativen Künste dieser Zeit. Und Fernweh auch hier.
Der Begriff der Fahrt ins Blaue wurde um 1930 in der Tourismus-Werbung populär, sie versprach damit einen erfrischenden Ausflug in die Freizeit. So wie das "Blaumachen" noch heute eine kurze Escapade vom Alltag bedeutet und seinen Ursprung im "Blauen Montag", dem unerlaubten Feiern der Handwerksgesellen früherer Jahrhunderte findet.