Die Frauen der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten
Im Fotoarchiv der Manufaktur werden unzählige historische Portraits von Frauen der 1920er bis 1960er Jahre aufbewahrt, beim Gießen, Glasieren, Garnieren, Malen, Modellieren. Ein freundlich orchestriertes Miteinander, oft auch stille Konzentration. In manchen Zeiten des 20. Jahrhunderts hatte der Direktor das Sprechen in den Werkstätten verboten.
Bereits 1923 war eine ganze Reihe von Bildhauerinnen und Malerinnen an der neuen Porzellanmanufaktur Augarten beschäftigt. Ihre Ideen, Entwürfe und Modelle wurden mit der höchsten Sorgfalt der Arbeiterinnen und Arbeiter in Porzellan umgesetzt. Das Gelingen liegt noch heute in jeder einzelnen der am Herstellungsprozess beteiligten Hände.
Einige der Künstlerinnen hatten gerade ihre Ausbildung an der Wiener Kunstgewerbeschule abgeschlossen, andere bereits ein eigenes Atelier gegründet. Ein halbes Jahrhundert bevor Frauen ohne Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten durften. Viele waren Mitglieder des Vereins bildender Künstlerinnen Österreichs bzw. des Vereins bildender Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen sowie der Wiener Frauenkunst und nahmen regelmäßig an Ausstellungen teil.
Ena Rottenberg und Hertha Bucher, beispielsweise, stellten ihre Arbeiten, darunter auch Objekte die im Auftrag der Porzellanmanufaktur Augarten entstanden waren, im Jahr 1925 auf der wegweisenden Exposition internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris aus.
Wie neu und wenig selbstverständlich diese Möglichkeiten waren, zeigt die Chronik der Frauenrechte.
1911 fand der erste Internationale Frauentag statt, erst 1918 wurde das Frauenwahlrecht in Österreich etabliert. 1919 durften Mädchen an öffentlichen Gymnasien zugelassen werden, 1920 wurde der Gleichheitsgrundsatz in der österreichischen Bundesverfassung verankert, 1925 ein Referat für Frauenarbeit in der Arbeiterkammer Wien eingerichtet. Viele andere wichtige Reformen vertagten Politik und Ideologien auf Jahrzehnte.
Mathilde Jaksch gehört zu jenen Künstlerinnen, deren plastische Arbeiten eine starke Präsenz und das moderne Selbstverständnis ihrer Zeitgenossinnen zeigen. Ihre Figuren sind besonnen, mit hintergründigem Witz, sie tragen kurzes Haar und Hosen. Aus den Lebensdaten der Künstlerin ist nur das Geburtsjahr 1899 bekannt. Nur wenig mehr ist aus dem Leben Ena Rottenbergs überliefert, ihr umfassendes Werk ist charaktervoll expressiv. Auch die Geschichte der Entwerferin Elfriede Teufelhart (um 1929-2015), die der Manufaktur ein legendäres Design für ein Teeservice hinterließ, ist verloren. Sie war eine Kollegin von Ursula Klasmann (geb. 1930), die als Pionierin des Designs ab 1955 das ästhetische Steuerrad der Manufaktur übernommen hatte.
Die Namen vieler Mitarbeiterinnen der Manufaktur sind vergessen. Zwar können vor allem den Namen der künstlerisch tätigen Frauen bestimmte Porzellanformen, Figurenmodelle und Dekore zugeordnet werden, aber Lebensgeschichten sind kaum erhalten. Umso mehr wird heute im Porzellanmuseum daran gearbeitet, die individuelle Handschrift und Sichtweise der Künstlerinnen, die das Gesicht der Produktion ihrer Zeit prägten, sichtbar zu machen.
Den Herausforderungen zu antworten galt ganz besonders für die Frauen nach und zwischen den Kriegen. Das keramische Fach wurde zunächst als unverfänglich und unauffällig, daher als für Frauen geeignet betrachtet. Das Gegenteil von Unscheinbarkeit bewiesen jedoch Künstlerinnen wie Vally Wieselthier (1895-1945) mit ihren internationalen Erfolgen, aber auch die vielen unbekannten Entwerferinnen, deren künstlerischer Nachlass von Innovation und Widerstand gegen alte Strukturen und Zweifel erzählt. Mit dem erstaunlich sprühenden, bunten Optimismus der selbst geschaffenen Freiheit.
#ChooseTheChallenge ist der Aufruf des Internationalen Frauentages 2021. Er hat Tradition.